Schwarmintelligenz: Ihre Beiträge und der Versuch einer Auflösung

Ihre Beiträge
28.11.2023
Bildgebung Neuroachse: Die MRT des Gehirns zeigt jetzt eine lineare subependymale Kontrastmittelanreicherung des dorsalen Anteils des Pars centralis sowie des Trigonums des linken Seitenventrikels. Hinzu kommen insgesamt sieben, maximal 7mm durchmessende, ringförmig kontrastmittelanreichernde Herde ohne relevantes Umgebungsödem. Sie sind in den nativen T1w-Aufnahmen nicht abgrenzbar. Fünf der Läsionen befinden sich supratentoriell im subkortikalen und periventrikulären Marklager sowie im Corpus und Splenium des Balkens. Zwei davon liegen infratentoriell im Hirnstamm. Die Herde sind nicht diffusionsgestört. Es findet sich kein meningeales Enhancement und es gibt keine Zeichen einer Liquorzirkulationsstörung oder einer Ischämie. Hinzu kommen mehrere ringförmig kontrastmittelanreichernde Herde im cervikalen und thorakalen Myelon, die im Oktober definitiv noch nicht vorhanden waren.
Zusammengefasst ist die Anzahl der Herde, sowie deren Durchmesser leicht progredient und es gibt neue Herde im Myelon. Keiner der Herde ist einer unkritischen Biopsie zugänglich.
Die Computertomogramme von Thorax, Abdomen und Becken zeigen keinen malignomtypischen Befund.
28.11.2023
Was spricht gegen Neurozystizerkose? Dafür müsste man jetzt die MRT Bilder in Gänze sehen. ;) Ich sehe, ihr habt daran gedacht, schließlich ist die Serologie gemacht worden, würde das Ganze ja aber nicht ausschließen.
29.11.2023
Südamerikaaufenthalt mit ringförmigen Strukturen im Gehirn bei unauffälliger normaler Echinokokkusserologie und – selten. Vorschlag: Polyzystische Echinokokkose durch E. vogeli oder E oligarthus.
29.11.2023
Aufgrund der Aufenthalte würde ich noch HTLV testen, sowie Neurozystizerkose diskutieren. Eher atypisch aber möglich wäre bei Ring-Enhancement PML. Ist er dafür negativ? Gibt es die Möglichkeit, wenn nicht punktabel ein NGS im Liquor zu machen? Oder wurde einmal eine Biofire Liquor PCR gemacht, da hier zumindest die häufigsten Sachen abgearbeitet wären, auch wenn sie kulturell nicht nachweisbar sind. Ansonsten würde ich ebenso wie Sie die TB behandeln, weil es laborchemisch passt und manchmal erlebt man ja Überraschungen.
29.11.2023
Also, ich würde eher auf Lymphom tippen, lymphomatoide Granulomatose oder andere EBV-assoziierte Lymphome, v.a. das supprimierte Knochenmark muss im Zusammenhang stehen… also KM steht ja aus. Danach müsst ihr gehen! Ferner Nocardien (macht eigentlich keine KM Depression), atypische Mykobakterien auch unwahrscheinlicher wenn keine systemische Immunsuppression vorliegt, Histoplasmose; was auch sehr interessant ist, ist die Tatsache, dass es schnell voranschreitet und überall verteilt ist (auch Myelon!) das machen die typischen Bakterien wie Streptokokken und co nicht… auch an Sarkoidose gedacht, aber die KM anreichernden Ringstrukturen passen nicht so richtig ins Bild…
30.11.2023
könnte hier eine EBV-assoziierte lymphomatoide Granulomatose vorliegen?
30.11.2023
vermutlich haben Sie alle diese Differentialdiagnosen schon in Ihre Überlegungen eingeschlossen: Histoplasmose: Histoplasmen Serologie (Mexiko, Guatemala); Nokardiose: Nokardien – PCR aus Liquor; NTM: NTM-NGS aus Liquor; Metastasen: Keimzelltumore (AFP, Beta–HCG im Serum und Liquor); Hämatologische Neoplasien (Beta 2 Mikroglobulin in Serum und Liquor); Zerebrale Vaskulitis: MR-Angiografie
30.11.2023
Ich bin bei der Differentialdiagnose “ring-enhancing CNS lesions” auf folgendes Mnemonic gestoßen: MAGIC DR:
M: Metastase
A: Abszess
G: Glioblastom / Tumor
I: Infarkt (subacute phase) or inflammatoy / infectious
C: Contusion
D: Demyelination disease
R: Radiation necrosis / resolving Hämatoma
Der Anamnese und bisherigen Diagnostik nach sind Metastasen, Infarkt, Contusion, Radiation necrosis / resolving hematoma sehr unwahrscheinlich. Bleiben also noch primärer Tumor / Glioblastom, Abszesse / Infektionen und demyelinisierende Erkrankungen. Wie kriegt man jetzt die anderen Auffälligkeiten unter? HIV / HCV Ko-Infektion, Bizytopenie, lymphozytäre Alveolitis und fraglich LK linkshilär? Ich habe ein sehr aktuelles, aufschlussreiches Paper gefunden [1]. Hier haben die Autoren immerhin 160 Pat mit multiplen ring-enhancing ZNS Läsionen und definitiver Diagnosen untersucht. Sehr interessant Tabelle 1 (Etiological spectrum)! Bei der ganzen Diagnostik (und sterilen Kulturen / negativer eubakterieller PCR) denke ich, man sollte vor allem noch Amöben (hier vor allem Balamuthia mandrillaris), ggf Paragonimus und der ZNS Melioidose (Alveolitis?) und den demyelinisierenden Erkrankungen eine Überlegung schenken. Gerade ADEM (angesichts der unbehandelten HIV / HCV) oder eine atypische Formen der MS ohne oligoklonale Banden (sogenannte tumefactive MS)
30.11.2023
Standard ist wohl die parasitologische Diagnose nach operativert Extraktion aber zur PCR gibt’s auch was.
01.12.2023
Der Kommentar hinsichtlich Echinokokkose war nicht von mir. :) Aber eine zerebrale Hydatidose halte ich für eher unwahrscheinlich. Mein Kommentar bezog sich auf die Neurozystizerkose und die serologische Diagnostik. Der Taenia solium ELISA ist leider wenig sensitiv und spezifisch. Der Blot ist daher Such- und Bestätigungstest. Die kommerziellen Blots sind dem CDC Blot nachgestrickt (= Gold Standard). Blot aus Liquor ist nicht unbedingt erforderlich, da das Ergebnis aus Serum ausreicht. Falls die Serologie negativ ist, könnte man eine Taenia PCR erwägen (da es ja Liquorveränderungen gibt). Dafür würde ich mit Dennis Tappe am BNI Kontakt aufnehmen.
02.12.2023
Neurolog. Fascioliasis: Was spricht dafür? Auslandsanamnese Asien, ektope Wanderung von juvenilem Leberegel in das ZNS wurde beschrieben [2]. Was spricht dagegen? Keine Leberläsion beschrieben, GGT normal, GOT und GPT gering erhöht. Eosinophilie? (habe großes BB nicht gefunden). Klärende Untersuchungen: Nachweis von Eiern im Stuhl?
PML durch JC-Virus: Was spricht dafür? PML im Rahmen von AIDS möglich. Läsionen in der weißen Substanz auf T2-gewichteten Bildern. Was spricht dagegen? Wie erklären wir die niedrige Glukose im Liquor? Klärende Untersuchungen: PCR aus Liquor.
TB-Meningitis: Was spricht dafür? Langsame Progression, niedrige Glukose. Was spricht dagegen? Läsionen subependymal um Seitenventrikel, Balken, Myelon. Klärende Untersuchungen: Kultur aus Liquor (läuft), evtl. IGRA (könnte falsch neg. sein).
Meningoenzephalitis durch Listeria monocytogenes: Was spricht dafür? Multiple Läsionen im Myelon und „Hirnstamm“, niedrige Glukose. Was spricht dagegen? Lymphozytäres Zellbild im Liquor, BK neg, Liquorkultur neg. Klärende Untersuchungen: Eubakterielle PCR (ist die gelaufen, ja?).
04.12.2023
Ergänzend zu unseren Vorschlägen mit unklarem Kopfschmerz aus dem Infektoskop, möchte ich Ihnen noch zwei Anmerkungen schicken: Der Nachweis einer Infektion mit Fasciola hepatica / gigantica erfolgt bei ektopischen Befall am ehesten serologisch. Im Anhang ein MRT-Bild eines Patienten mit Leberbefall [3]. https://www.cdc.gov/dpdx/fascioliasis/index.html; https://www.cdc.gov/parasites/fasciola/health_professionals/index.html
Es gibt noch andere Parasiten, die mit Schafzucht in Verbindung gebracht werden könnten. Hierzu zählt: Dicrocoelium dendriticum.
https://www.cdc.gov/dpdx/dicrocoeliasis/index.html
https://www.nhm.ac.uk/discover/news/2018/june/the-brain-worm-that-turns-...
05.12.2023
Zu unserem gemeinsamen, im Infektoskop vorgestellten Patienten hatte ich noch folgende Anmerkungen gemacht: […] Ich vermisse bei dem Patienten, neben all den Exoten-Untersuchungen folgende Basics: CMV, weder Serologie noch Viruslast aus EDTA und ggfs. Liquor liegen uns vor. Borreliose, zumindest Serologie, Stichwort Gartenarbeit, you never know.. wobei das bei eubakterieller PCR im Liquor enthalten sein sollte? Die HIV-Infektion erscheint unbehandelt erstaunlich gut kontrolliert- ??, trotzdem schwanken die Untersuchungen zwischen Reise-Exoten und angenommenem Immundefekt; Also wenn schon, dann wäre noch an HHV-6 zu denken. Nebenbei: HIV, HCV und HBV? Hepatitis C macht extrahepatische Manifestationen, auch Myelitis, aber von multiplen Herden habe ich auch noch nicht gehört.
09.12.2023
Chers Xavier et Lucas je vous joins un dossier de mes collègues de la Charité à Berlin pour avis), je vous serai reconnaissante de regarder... I attach my first comments in your text that I had also highlighted adding two articles, with your MRI for my french colleagues who organises multidisciplinary discussions on neuro-infectious diseases every second week in Paris.
In summary for now, the imaging studies are compatible with toxo, metastasis, lymphoma, tuberculoma, however the diffusion "should" change in lymphoma and metastasis. Toxo is unlikely, he is immunocompetent and serological tests are negative. The lymphocytic meningitis favors rather a mycobacterial infection (brucellosis is unlikely and the duration is too long for usual viral infections). Anti tuberculous therapy had just been started and several tests are still ongoing, and you had eliminated using your tests many of my hypotheses. I also wondered if you had found the etiology of cytopenia (bone marrow examination ?). I did not find a typical differential diagnosis with these images beside infections (mainly tuberculoma in europe), metastasis and lymphoma, MRI spectroscopy could help. To my knowledge, autoimmune diseases can have variable presentations, however the MRI is not typical, and you have not found biological evidences. Also, an acute manifestation of metabolic diseases at this age appears unlikely to me but biological tests are available. If his state is worsening, I would suggest to "re"discuss a biopsy, perhaps the periventricular ones could be accessible ?
09.12.2023
Had a quick look as I was curious. Very impressive work up. Primarily appears to be ventriculitis with spread along CSF, producing abscesses along medulla, spinal cord and supratentorial. Was wondering if PCR excluded Listeria? Cultures may have been negative due to prior antibiotics?
14.12.2023
For the imaging file; Julien says : «Even though the terrain is suggestive of infectious disease, I don't see any reason at the moment to rule out "simple" MS, but it would be nice if they could give him a good 3D FLAIR, diff, SWI EPI and a 3D T1 Gd TSE check. Of course, other inflammatory etiologies remain possible, and I haven't completely ruled out infectious causes. It will all depend on whether we have non-enhancing FLAIR images (my impression is that they are bulbar, but it's difficult with only partial selection) and how the veins on SWI relate to the lesions.»
15.12.2023
Of course, this is the real life! I was happy to see Dr. Stocker on zoom discussing with all my colleagues. In summary, they totally agree with your reasoning, and it is an intriguing patient. On the basis of neuroradiological findings, the hypotheses of sarcoidosis (CD4 alveolitis as in TB) and ADEM (We have already observed cases of ADEM without oligoclonal bands.) or MS could have been compatible, but none of them can induce hypoglycorachia.
15.12.2023
Thank you very much for this very interesting case. We fully agree with you and, to summarize, we thought that TB was a likely diagnosis before treatment (HIV infection, low glucose level in CSF, high lymphocyte count in CSF, HIV, MRI aspect) and a highly likely diagnosis after the response to treatment that you showed.
09.01.2024
Danke für die Rückmeldung. Schön, dass es dem Patienten besser geht! Aus Interesse: Liefen denn Antikörper-Untersuchungen gegen Fasciola? Ich könnte mir vorstellen, dass eine potentielle Parasiten-Infektion durch die HIV-Therapie beim Patienten nun wieder besser durch das körpereigene Immunsystem kontrolliert werden kann.
11.01.2024
Spät gelesen. Falls noch keine Diagnose: Neurosarkoidose? Wegen lymphozytärer Alveolitis mit positivem CD4/CD8-Quotienten und ACE-Verminderung als Hinweisen? Diagnosesicherung ohne Biopsie vermutlich schwierig. Ggf. noch andere Manifestationen vorhanden, z.B. Haut? Kortikoid-Therapieversuch mit Rheumatologen besprechen? Infektiologische Laienfrage: ist Neuro-Lues mit negativem TPPA und negativer Bakterien-PCR im Liquor ausgeschlossen?
02.02.2024
Trotz der an sich nicht so niedrigen Helferzellen könnte die ausstehende Pilzdiagnostik auch bezüglich Histoplasmose und Kryptokokkose noch hilfreich sein. Auch die Toxoplasma-PCR ist ausstehend. Demyelinisierende Erkrankungen wie ADEM (Virusinfektion?), NMOSD wären bei komplette Ringen eher untypisch, Anti-MOD-Ak oder AQP4-Ak könnten aber bestimmt werden. Tuberkulome sind zwar nicht bestätigt, können aber auch nicht zu 100% ausgeschlossen werden. Da kein Ödem und keine Diffusionsstörung bestehen, und die Kulturen negativ sind scheinen Hirnabszesse unwahrscheinlich, ein Herzecho ist schon geplant. Bezüglich Lymphom sollte auch die Ergebnisse der Knochenmarkbiopsie abgewartet werden. Bei Fortschreiten der Symptomatik wird man trotz Risiko bei möglichen Metastasen oder unklarem Erreger wohl kaum um eine Biopsie kommen. Ein PET-CT könnte ebenfalls auf einen möglichen Primarius / Lymphomausbreitung / weiteren Infektfokus hinweisen.
05.02.2024
bei der Zellzahl im Liquor liegt eine bakterielle Genese à la TBC ja irgendwie nahe. Darüber hinaus ein paar Gedanken: Wie ist denn das Diff.-Blutbild? Gibt es bei den Lymphozyten Auffälligkeiten? Immunglobuline normal? Was ergab die Beckenstanze hinsichtlich Blutbildung und Entwicklung der Leukozyten-Reihen? Wir hatten unlängst eine Patientin mit GOOD-Syndrom (lymphozytärer Immundefekt nach Thymom-OP), die eine zerebrale Toxoplasmose hatte... letztlich kombinierter B- u. T-Zell-Defekt... Toxo-PCR im Liquor positiv? Mir fallen darüber hinaus noch ein:
Neurolues? Gerade in Anbetracht der weiteren STDs, die der Patient ja offenbar hat. Wenngleich die ringförmigen, KM-anreichernden Ringe schon Toxo-verdächtig aussehen. (Eher unwahrscheinlich bei der Zellzahl, Glucoseverbrauch / Laktat,...) Progressive multifokale Leukenzephalopathie / unkontrollierte JC-Virus-Infektion? Enterovirus / Echovirus unkontrolliert?
Vielen herzlichen Dank
Ihre Anregungen haben uns alle in geistige Bewegung versetzt. Wir erhielten Input von Expertinnen und Experten aus Frankreich, Indien, Chile, Malawi und aus Berlin. Im Folgenden versuchen wir, die meisten Ihrer Gedanken aufzugreifen, sie zusammenzufassen und sie zu gliedern nach Nicht-Infektionen und Infektionen:
Nicht-Infektionen
Hinweise auf Tumorerkrankungen konnten wir in der extraneuralen Bildgebung nicht finden. Die Laborwerte wiesen auch nicht in Richtung Krebs: Weder AFP, Beta–HCG noch das Beta2-Mikroglobulin waren auffällig. Die Knochenmarkszytologie und –histologie zeigten keine Hinweise auf eine lymphoproliferative Erkrankung. Die Immunglobuline (IgG, IgA und IgM, sowie die Elektrophorese) waren im Normbereich bzw. unauffällig.
Die Sarkoidose ist eine Differentialdiagnose, die Sie – genau wie wir – heiß gehandelt haben. Trotz des suggestiven Ergebnisses der BAL-Zytologie verblassten im Verlauf die Argumente für diese Hypothese. Alle konsultierten Neuroradiologinnen in Frankreich und Deutschland hielten die Läsionen für untypisch. Die fast schwere Hypoglykorrhachie (definiert als Glucosewerte im Liquor <10mg/dl) wäre zwar durchaus mit einer Neurosarkoidose vereinbar [4]. Dennoch ist diese Erkrankung eher eine der selteneren Ursachen für sehr niedrige Liquorzuckerspiegel. Meningitiden ausgelöst durch Bakterien, Mykobakterien und Pilze, die Meningeosis carcinomatosa / lymphomatosa und Subarachnoidalblutungen sind viel häufigere Gründe, wenn auch die Literatur hierzu sehr dünn ist [5].
ADEM und andere neurologische Erkrankungen haben wir mit Kolleginnen und Kollegen von der Charité Berlin und verschiedenen Kliniken in Paris diskutiert, aber niemand hat sich für diese Differentialdiagnosen auffallend stark gemacht.
Infektionen
Ihre Fragen zu den bakteriellen Erregern und den Pilzen haben wir auch versucht, gewissenhaft zu beantworten: Alle Kulturen blieben ohne Wachstum, trotz verlängerter Bebrütungsdauer. Im zuweisenden Krankenhaus wurde der Liquor mit einer Multiplex PCR auf Escherichia coli, Haemophilus influenzae, Listeria monocytogenes, Neisseria meningitidis, Streptococcus agalactiae, Streptococcus pneumoniae untersucht. Wir selbst haben im Liquor noch einmal mittels eubakterieller PCR nach Bakterien geschaut. Beides blieb ohne Treffer. Eine Neurolues ist durch die negative Serologie ausgeschlossen, ebenso wie die Neuroborreliose.
Zu den Viren: HSV-1, HSV-2, HHV-6, VZV, CMV, Entero- und Parechoviren haben wir auch nicht mittels PCR gefunden. Die HTLV Serologie war negativ. Die HBV Serologie war negativ und von der chronischen HCV-Infektion wussten wir bereits. Wir haben auch nach JCPyV mittels hoch sensitiver PCR im Liquor gesucht und wiederholt nichts gefunden. Nach Kryptokokken wurde ja schon im ersten Krankenhaus gesucht. Aber weil die Sensitivität des verwendeten Liquorpanels zu wünschen übrig lässt, und weil sie so viele Anregungen gegeben haben, hat Volker Rickerts in seinem Konsiliarlabor für Kryptokokkose und seltene Systemmykosen im RKI mittels Antigentests, Serologie, PCR und Kultur im Liquor und zum Teil auch im But und im Urin nach H. capsulatum, C. neoformans / C. gattii, Coccidioides spp. und Blastomyces dermatitidis, gesucht und nichts gefunden.
Die transösophageale Herzechokardiographie war unauffällig.
Kommentare
Bei der Reaktion auf Ihren Input müssen wir einer Strategie folgen, die sich bewährt hat, um einer Prüfungsfrage auszuweichen, auf die man keine kompetente Antwort geben kann: Ein Stichwort aufgreifen, das mit dem aufgerufenen Thema irgendwie verwandt ist und darüber schwadronieren.
Unsere Gedanken zur Zystizerkose und der von vielen von Ihnen ins Feld geführten Neurozystizerkose: Die Zystizerkose wird – grob vereinfacht – von Larven der Spezies Taenia solium (Schweinebandwurm) und Taenia saginata (Rinderbandwurm) hervorgerufen.
Hier ist eine simple Version des Lebenszyklus von T. solium: sie – sie wird weiblich gelesen – lebt als adulte Parasitin im Darm des Menschen und nur des Menschen. Dort vermehrt sie sich geschlechtlich, deshalb ist der Mensch, der Definition entsprechend, der Hauptwirt. Ein Mensch mit seinem Schweinebandwurm hat eine Taeniose und keine Zystizerkose. Und er hat – genau wie der Mensch mit seinem Rinderbandwurm – eine „einsame“ Taeniose. Deshalb heißt die Erkrankung in Ländern, deren Sprache Italienisch, Spanisch oder Portugiesisch ist, „Solitaria“ die Einsame.
Warum die Einsame?
Die adulten Bandwürmer sind kompetitiv und teilen deshalb nicht gern ihren Lebensraum. Die stärkste Solitaria vertreibt ihre Nebenbuhlerinnen und deshalb lebt im Endwirt nur eine einzelne „einsame“ Taenia. Die befruchteten Eier der Einsamen werden mit dem Stuhl ausgeschieden und von Schweinen gefressen. Angeregt durch die Sequenz der Stimuli im Magen und Dünndarm des Schweins durchlaufen sie eine Metamorphose. Sie verwandeln sich in Larven (die in diesem Stadium Onkosphären heißen). Onkosphären sind aggressiv. Sie durchbohren die Darmwand mit der Entschlossenheit, ihren Weg in alle möglichen Gewebe des Zwischenwirtes zu finden. Sie bevorzugen die Muskulatur, das Auge und das Gehirn. Dort entwickeln sie sich zu Zystizerken. Das Schwein hat nun eine Zystizerkose und keine Taeniose. Wenn ein Reisender mit romantischer Leidenschaft für authentisches Street Food in Mexiko kurzgegrillte Schweinefleischspießchen verspeist komplettiert sich der Lebenszyklus. Nach dem Mahl verwandeln sich die Zystizerken in adulte Bandwürmer und heften sich an die Dünndarmschleimhaut des Reisenden an. Ein weiterer Mensch mit Taeniose kehrt dann zurück in sein Heimatland.
Nun zum Rinderbandwurm.
Sein Lebenszyklus ist ähnlich. Auch der adulte Rinderbandwurm lebt im menschlichen Darm. Der befallene Mensch hat eine Taeniose und keine Zystizerkose. Sein einsamer Wurm produziert geschlechtlich Eier, die ausgeschieden und von Rindern gefressen werden. Die Sequenz der chemischen Stimuli im Pansen, im Netzmagen, dem Akt des Wiederkäuens, im Blättermagen, im Labmagen und im Dünndarm aktiviert die Eier, die schließlich ihren Weg in die Muskulatur finden. Das Rind hat dann eine Zystizerkose und keine Taeniose. Welche Botschaft verbirgt sich in dieser Gegenüberstellung? Der Mensch ist kein Rindviech, er hat nicht vier, sondern nur einen Magen und er käut nicht wieder. Und deshalb können wir Menschen keine Rinderzystizerkose bekommen. Wir Menschen sind aber - zumindest von Innen – wie Schweine und damit sind wir für die Eier, Onkosphären und Zystizerken von T. solium vertrautes Terrain. Wenn ein Mensch Eier eines adulten Bandwurmes schluckt, welcher entweder in ihm selbst lebt oder in seinem Partner – der ihn bekocht – dann kann er eine Zystizerkose bekommen – eine Schweinezystizerkose. Damit ist der Zyklus in eine Sackgasse geraten, außer man lebt unter Kannibalen.
Kann unser Patient wirklich eine Neurozystizerkose gehabt haben?
Um diese Frage zu beantworten ist es wichtig zu verstehen, dass die Anzahl der Larven im Zwischenwirt nicht größer werden kann. Warum? Weil das gegen die Gesetze des Lebenszyklus dieses Organismus’ verstößt, der „streng heteroxen“ ist: d.h. dass der Parasit zur Vermehrung immer zwei unterschiedliche Wirte benötigt. Im Zwischenwirt könnten sich die Larven von T. solium nicht einmal vermehren, wenn dieser immunsupprimiert wäre. Somit könnten die zerebralen Läsionen – die erst im Verlauf neu entstanden sind – nur dann als Ausdruck einer Neurozystizerkose erklärt werden, wenn unser Patient vor und während der Evolution seiner Erkrankung immer wieder Eier von T. solium geschluckt hätte. Also durch Aufnahme von Eiern einer potentiell vorhandenen eigenen Taeniose im Sinne einer frischen Autoinfektion oder durch Aufnahme von Eiern aus dem Stuhl einer anderen Person mit einer Taeniose. Für beides gab es keine plausiblen Hinweise. In seinem Stuhl haben wir trotz wiederholter und intensiver Suche keine Wurmeier gefunden. Und auch eine Fremdinfektion von einem anderen Hauptwirt erschien uns wegen der Anamnese unwahrscheinlich. Trotzdem haben wir – angetrieben von Ihren Kommentaren – nach Antikörpern gesucht, aber keine nachweisen können.
Soweit wir das aus einer Literaturrecherche lernen konnten spricht das Entstehen von neuen Läsionen auch gegen eine Infektion mit E. vogeli oder E. oligarthus, aber hier sind wir auf Ihre Erfahrungen mit diesen Parasiten angewiesen.
Dicrocoelium dendriticum ist ein Saugwurm (Trematode) dessen Hauptwirte Wiederkäuer sind. Er lebt als adulter Parasit in deren Gallengängen. Seine mit dem Stuhl ausgeschiedenen Eier werden von Schnecken (den ersten Zwischenwirten) aufgenommen und verwandeln sich über mehrere Metamorphosen in Zerkarien. Ausgeschiedene Zerkarien werden von Ameisen (den zweiten Zwischenwirten) gefressen. In ihnen entwickelt sich der „Hirnwurm“ [6]. Der Zyklus schließt sich für den glücklichen Dicrocoelium dendriticum der eingebettet in das Ameisengehirn von einem Wiederkäuer gefressen wird. Der Mensch kann, wenn er eine Ameise verschluckt, erkranken – aber nur mit dem adulten Wurm, nicht mit dem Hirnwurm.
Die Quintessenz all des Geschriebenen: Parasiten haben streng regulierte und komplexe Lebenszyklen, die wir alle nur widerstrebend auswendig lernen um sie dann schnell wieder zu vergessen. Bis zu den Tagen, an denen wir einen konkreten Verdachtsfall haben. Dann verzaubern diese Zyklen plötzlich und sie helfen uns, die Wahrscheinlichkeit von Differentialdiagnosen besser bewerten zu können.
Was haben wir therapeutisch gemacht und wie ist es ausgegangen?
Wir haben die diagnostischen Kriterien für eine Neurotuberkulose [7] beherzigt und den Patienten mit einer antituberkulösen Therapie behandelt (ohne Steroide). In der Zwischenzeit haben wir gehofft, dass wenigstens eine der kulturellen Untersuchungen des Liquors Wachstum von M. tuberculosis zeigen würde. Diese Hoffnung erfüllte sich leider nicht. Dennoch hat sich kurz nach Beginn der Therapie der Zustand des Patienten beeindruckend gebessert. Und in den seriellen MRTs zwischen Therapiebeginn bis Mai 2024 zeigte sich, dass die lineare subependymale Kontrastmittelanreicherung des dorsalen Anteils des Pars centralis sowie des Trigonums des linken Seitenventrikels rückläufig und zuletzt nicht mehr nachweisbar war (unser Bild), und dass die Herde im ZNS weniger Signalanhebung nach KM-Gabe aufweisen. Im Liquor sahen wir eine Normalisierung aller initial ausgelenkten Parameter.
Da wir nichts anderes als die TB behandelt haben gehen wir davon aus, dass der Patient eine Tuberkulose des ZNS hatte. Wir wünschen Ihm, dass die residualen neurologischen Defizite die er bis heute aufweist langsam verschwinden und dass er sein aktives Leben, das er vor der Erkrankung hatte wiederaufnehmen wird können.
Beitragende
Jochen Trübenbach, Ihre Radiologen, Berlin; Kirsten Poertner; Gregor Pollach, College of Medicine - University of Malawi; Sophie Schneitler, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg; Tassilo Kruis, Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH, Berlin; Susanne Weber Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH, Berlin; Thomas Weitzel, Facultad de Medicina Clínica Alemana, Universidad del Desarrollo, Chile; Johannes Elias, MDI Limbach Berlin GmbH; Leonore Thümer MDI Limbach Berlin GmbH; Marlies Höck, MDI Limbach Berlin GmbH; Anke Oltmann MDI Limbach Berlin GmbH; Homa Adle-Biassette Lariboisière Hospital, DMU DREAM, Assistance Publique-Hôpitaux de Paris, Frankreich; Francoise Gray, Frankreich; Romain Sonneville, Hôpital Bichat Claude-Bernard, Paris, Frankreich; Lucas Maisonobe, Hôpital Bichat Claude-Bernard, Paris, Frankreich; Xavier Lescure, Hôpital Bichat Claude-Bernard, Paris, Frankreich; Werner Stenzel, Charité Universitätsmedizin, Berlin; Anita Mahadevan, National Institute of Mental Health & Neurosciences, Department of Neuropathology, Bangalore, Indien; Nathan Peiffer-Smadja, Hôpital Bichat Claude-Bernard, Paris, Frankreich; Sandra Schneider Charité Universitätsmedizin, Berlin; Julien Savatovsky Hôpital Fondation Adolphe de Rothschild, Paris, Frankreich; Felix Könneke; Adrian Spohr, St. Joseph Krankenhaus, Berlin; Michael Nissen, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck
Literatur
- Garg RK, Paliwal V, Pandey S, Uniyal R, Agrawal KK: The etiological spectrum of multiple ring-enhancing lesions of the brain: a systematic review of published cases and case series. Neurological sciences : official journal of the Italian Neurological Society and of the Italian Society of Clinical Neurophysiology 2024, 45(2):515-523, DOI: 10.1007/s10072-023-07083-2.
- Mas-Coma S, Agramunt VH, Valero MA: Neurological and ocular fascioliasis in humans. Advances in parasitology 2014, 84:27-149, DOI: 10.1016/b978-0-12-800099-1.00002-8.
- Preza O, Klapa I, Tsiakalos A, Cokkinos DD, Chatziioannou A: Fascioliasis: A challenging differential diagnosis for radiologists. Journal of radiology case reports 2019, 13(1):11-16, DOI: 10.3941/jrcr.v13i1.3451.
- Sarva H, Chapman R, Omoregie E, Abrams C: The challenge of profound hypoglycorrhachia: two cases of sarcoidosis and review of the literature. Clinical rheumatology 2011, 30(12):1631-1639, DOI: 10.1007/s10067-011-1834-y.
- Chow E, Troy SB: The differential diagnosis of hypoglycorrhachia in adult patients. The American journal of the medical sciences 2014, 348(3):186-190, DOI: 10.1097/maj.0000000000000217.
- Romig T, Lucius R, Frank W: Cerebral larvae in the second intermediate host of Dicrocoelium dendriticum (Rudolphi, 1819) and Dicrocoelium hospes Looss, 1907 (Trematodes, Dicrocoeliidae). Zeitschrift fur Parasitenkunde (Berlin, Germany) 1980, 63(3):277-286, DOI: 10.1007/bf00931990.
- Marais BJ, Heemskerk AD, Marais SS, van Crevel R, Rohlwink U, Caws M, Meintjes G, Misra UK, Mai NTH, Ruslami R et al: Standardized Methods for Enhanced Quality and Comparability of Tuberculous Meningitis Studies. Clin Infect Dis 2017, 64(4):501-509, DOI: 10.1093/cid/ciw757.