Fieber nach Urlaub in Teneriffa: Wir brauchen Ihre Hilfe

Wir haben uns lange nicht zu Wort gemeldet. Das lag nicht etwa daran, dass uns die Geschichten ausgegangen sind, sondern vielmehr an der Fülle der Geschichten, die uns die Entscheidung schwergemacht hat. Unsere heutige Geschichte ist ein Rätsel mit einer Frage an die Leser:innen des Infektoskops und einer Antwort, die wir noch nicht kennen. Einer Antwort, die wir mit Ihrer Mithilfe hoffentlich bald kennen werden.
Murines Fleckfieber Rickettsien Q-Fieber Typhus

Heute wollen wir Sie um Ihr Mitdenken bitten. Wir brauchen den Input von Reisemedizinern, Infektiologen, Epidemiologen und sonstigen Aficionados um unser Rätsel zu lösen. Bitte lassen Sie uns Ihre Anregungen, Diskussionsbeiträge und kreativen Gedanken unter infektiologie@sjk.de zukommen. Ihre Beiträge werden wir im nächsten Infektoskop veröffentlichen. Der Preis für den hilfreichsten Beitrag ist ein infektiologischer Blumentopf.

Ein 36 Jahre alter Mann ohne Vorerkrankungen fliegt im Sommer 2022 nach Teneriffa um dort mit seiner Freundin und zwei Kindern im Grundschulalter 18 Tage in einer Ferienanlage zu verbringen. Zwölf Tage nach der Ankunft entwickelt er akut nichtquantifiziertes Fieber, Nachtschweiß, Nacken- und Gliederschmerzen sowie symmetrische Schmerzen in den großen Gelenken. Drei Tage nach Symptombeginn bemerkt er einen Hautausschlag am Stamm und den Extremitäten.

Am Tag der Rückreise und fünf Tage nach dem Beginn der Symptome stellt er sich schwer krank bei uns vor. Er hat immer noch Fieber bis 39,6°C, starke holozephale Kopfschmerzen, Myalgien, Athralgien und Schmerzen hinter den Augäpfeln.

Bei der körperlichen Untersuchung fällt zunächst ein makulöses, non-pruriginöses Exanthem am Stamm und den Extremitäten ohne Beteiligung der Handflächen und Fußsohlen auf. Die Konjunktiven sind nicht gerötet oder ödematös. Wir suchen gründlich ein Eschar aber finden keins. Die klinisch zugängigen Lymphknoten sind nicht geschwollen, Leber und Milz sind klinisch nicht vergrößert.

Im Labor sehen wir eine Thrombozytopenie von 106.000/µL. Die Leukozytenzahlen und der Hb Wert sind normwertig. Das CrP ist 134mg/L. Die Retentionsparameter, die Transaminasen und Gallengangsenzyme, das Bilirubin, die CK und die Gerinnung sind an diesem Tag normwertig. Die LDH ist mit 636 IU/L deutlich erhöht ohne laborchemische Zeichen einer Hämolyse. Der Liquor ist klar mit normalen Werten für Zellen, Eiweiß, Glucose und Laktat. CrAg (K. neoformans Antigen) ist nicht nachweisbar. Drei Paar Blutkulturen werden ohne Wachstum bleiben (der Patient hatte keine Antibiotika eingenommen).

In der Thoraxübersichtsaufnahme sieht der Radiologe eine „rundlich flächige Verschattung im linken Oberfeld“ die unser Bild zeigt.

Die CT des Thorax bestätigt den Befund und präzisiert: Zentral im linken Oberlappen findet sich eine konsolidierende Infiltration mit einem Durchmesser von 20mm welche von einem schmalen Saum von Milchglasinfiltraten umgeben ist (Bild im nächsten Infektoskop).

Vier Tage nach Beginn der Erkrankung hustet der Patient erstmals trocken, sechs Tage danach fühlt er sich zunehmend kränker, die Thrombozyten fallen weiter auf einen Wert von 84.000/µL. Die LDH steigt auf 1.095 IU/L, und wir verzeichnen einen gleichsinnigen Anstieg der Transaminasen auf ca. 600 IU/L. Das Bilirubin, die Gallengangsenzyme und die CK bleiben normwertig.

An diesem Tag beschließen wir, eine Therapie mit Doxycyclin 2x100mg/d po. zu beginnen. Drei Tage danach ist der Patient fieberfrei, das Exanthem ist abgeblasst, die Transaminasen sind fast wieder normal und die LDH nähert sich dem Normwert.

Anamnese hilft. Sie hilft einfach immer: Unser Patient berichtet, dass er und seine Familie vom ersten Tag ihres Urlaubs jeden Tag Kontakt zu einem Hund hatte. Was heißt hier Kontakt? Der Hund habe die Hände der Familie jeden Tag abgeleckt. Zudem habe er der Familie eine Tote Taube als Geschenk präsentiert. Auf dem Boden des Restaurants der Anlage seien Vogelkot und Federn gelegen, die jeden Morgen mit dem Besen und einer Menge Staub weggefegt wurden. Er habe viele „Ameisenstiche“ abbekommen. Seine Freundin habe am Tag acht nach ihrer Anreise Fieber und einen Hautausschlag entwickelt. Der Patient verneint Fragen nach Süßwasserkontakt. Gegessen habe man immer in der Anlage und Sex gab es auch keinen außerhalb der Beziehung, weder vor, noch während des Urlaubs.

Wir haben viele Differentialdiagnosen hin und her gewälzt, und es war uns eine Frage der Ehre, die Diagnose zu stellen – was uns bislang noch nicht gelungen ist. Wir wollen Sie aber nicht durch unsere Überlegungen beeinflussen, weil wir nicht sicher sind, ob wir wirklich alle möglichen Erkrankungen berücksichtigt haben und wir wollen Ihren Ehrgeiz anstacheln. Somit sind Sie, liebe Leser:innen des Infektoskops aufgefordert, Ihren Gedanken freien Lauf zu lassen, und uns an Ihren Gedanken teilhaben zu lassen. Wir freuen uns auf Ihre Beiträge unter infektiologie@sjk.de

Dr. Hartmut Stocker
Facharzt für Innere Medizin, ZW Infektiologie
Klinik für Infektiologie und HIV-Medizin

Hinweis
Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.