Toxoplasma gondii, der erfolgreichste Parasit unseres Globus’

Was ein scheinbar harmloser Parasit bei Katzen, Kindern und HIV-Infizierten Menschen bewirken kann.
Kongenitale Toxoplasmose

Toxoplasmose, eine Infektion, die fast immer harmlos verläuft. Fast immer!

Diese Kernspinntomografie (T1 mit Kontrastmittel) des Gehirns eines 32-jährigen Ghanaers mit undiagnostizierter HIV-Infektion zeigt, was ein an sich harmloser Parasit anrichten kann, wenn das zelluläre Immunsystem des Menschen zusammenbricht. Der Patient wurde nach einem generalisierten epileptischen Anfall stationär aufgenommen. Er wies klinisch eine Hemiparese rechts und oralen Soor auf. Das Labor war bis auf eine Panzytopenie unauffällig. Die farbigen Läsionen im Gehirn markieren die ringförmig kontrastmittelanreichernden Säume um die entzündlichen Herde, die von Toxoplasma gondii, dem Erreger der Toxoplasmenezephalitis (TE), ausgelöst werden. Die posterior gelegene Läsion weist ein für die Erkrankung charakteristisches, wenn auch nicht beweisendes „excentric target sign“ auf (Schießscheibe mit exzentrisch gelegenem Mittelpunkt)[1]. In der Umgebung der Läsionen ist ein als dunkle Zone erkennbares raumforderndes Ödem sichtbar. Zahl (multiple) und Lokalisation (Stammganglien und kortikomedulläre Grenze) der Herde sind ebenfallls typisch für eine TE. Der Liquor war unauffällig. Auch wenn alle radiologischen und laborchemischen Befunde keine sicheren Beweise darstellen, so sprechen sie doch sehr stark für eine TE und sollten an diese Differentialdiagnose denken lassen.

Patient:innen mit undiagnostizierter HIV-Infektion gelangen zur Abklärung solcher Läsionen immer wieder in Kliniken für Neurochirurgie, wo sie mit der Verdachtsdiagnose »metastasierte Tumorerkrankung« operiert oder biopsiert werden. Wie im Falle unseres Patienten (oraler Soor, Panzytopenie), finden sich oft - neben den zerebralen Herden - weitere HIV-Indikatoren, die eine Chance bieten, die HIV-Infektion zu diagnostizieren und den neurochirurgischen Eingriff abzuwenden.

Toxoplasma gondii ist ein Protozoon. Dieser winzige Einzeller ist der erfolgreichste Parasit unseres Globus’: T. gondii ist in der Lage, fast alle Säugetiere zu infizieren, aber nur wenige Spezies entwickeln klinisch relevante Erkrankungen – eine perfekte Strategie. Hauptwirte von T. gondii  sind Katzen. Alle Katzen (Felidae), keine Hunde. Die klassischen Zwischenwirte sind Nagetiere. Alle anderen Säugetiere – zu denen auch wir Berliner:innen gehören – sind potentielle Zwischenwirte. Und weil wir hier so gerne Hackepeter essen (oder Katzen haben) sind besonders viele von uns mit T. gondii  infiziert. Bei Mäusen bewirkt die Infektion, dass sie ihre angeborene Furcht vor Katzen verlieren (Dieses Review [2] erklärt warum). Bei immungesunden Erwachsenen ist die wahrscheinlich einzige Folge der Infektion ihre Liebe zu Katzen (letzteres ist unsere unbewiesene Hypothese).

Keine Regel ohne Ausnahmen!

Erste Ausnahme: Bei der kongenitalen Toxoplasmose kann die frische Infektion der Mutter zu einer folgenschweren Erkrankung des Kindes führen (erinnern Sie sich an den TORCH-Komplex aus ihren Studientagen?) [3]. Besonders häufig und ernsthaft erkranken die Kinder derjenigen Mutter-Kind-Paare, die mit bestimmten Serotypen (not exclusively II (NE-II)) von T. gondii  infiziert werden [4]. Deshalb ist es für nicht-infizierte Frauen so wichtig, sich während der Schwangerschaft von Katzenkot und rohem Fleisch sowie ungewaschenem Gemüse fern zu halten.

Zweite Ausnahme: Bestimmte Serotypen (auch hier sind es die NE-II Serotypen), die besonders häufig außerhalb Mitteleuropas und ganz besonders in Brasilien vorkommen, verursachen im Rahmen der akuten Infektion überdurchschnittlich oft eine Chorioretinitis bei immungesunden Menschen [5, 6].

Dritte Ausnahme: Wenn das Immunsystem eines bereits infizierten Menschen im Rahmen einer HIV-Infektion oder einer Chemotherapie geschwächt wird, kann sich die Toxoplasmose zu einer zerstörerischen Enzephalitis - wie bei unserem Patienten - auswachsen [7].

Unser Fallbericht will als Appell gelesen werden, bei allen Patient:innen mit multiplen, ringförmig-kontrastmittelanreichernden Herden mit raumforderndem Umgebungsödem VOR dem Einsatz des Messers nach HIV-Indikatoren zu suchen und einen HIV-Test durchzuführen. Die medikamentöse Therapie der TE ist erfolgreich und zuverlässig wirksam und bewahrt den Menschen vor den Folgen des neurochirurgischen Eingriffs!

Was es aktuell zur Therapie der Toxoplasmose zu sagen gibt findet sich im Review von Ildiko Dunay und Oliver Liesenfeld [8] .

Tobias Harport
Assistenzarzt in Weiterbildung
Klinik für Infektiologie

Literatur:

  1. Kumar GG, Mahadevan A, Guruprasad AS, Kovoor JM, Satishchandra P, Nath A, Ranga U, Shankar SK: Eccentric target sign in cerebral toxoplasmosis: neuropathological correlate to the imaging feature. Journal of magnetic resonance imaging : JMRI 2010, 31(6):1469-1472.
  2. McConkey GA, Martin HL, Bristow GC, Webster JP: Toxoplasma gondii infection and behaviour - location, location, location? The Journal of experimental biology 2013, 216(Pt 1):113-119.
  3. Rostami A, Riahi SM, Contopoulos-Ioannidis DG, Gamble HR, Fakhri Y, Shiadeh MN, Foroutan M, Behniafar H, Taghipour A, Maldonado YA et al: Acute Toxoplasma infection in pregnant women worldwide: A systematic review and meta-analysis. PLoS Negl Trop Dis 2019, 13(10):e0007807.
  4. McLeod R, Boyer KM, Lee D, Mui E, Wroblewski K, Karrison T, Noble AG, Withers S, Swisher CN, Heydemann PT et al: Prematurity and severity are associated with Toxoplasma gondii alleles (NCCCTS, 1981-2009). Clin Infect Dis 2012, 54(11):1595-1605.
  5. Shobab L, Pleyer U, Johnsen J, Metzner S, James ER, Torun N, Fay MP, Liesenfeld O, Grigg ME: Toxoplasma serotype is associated with development of ocular toxoplasmosis. J Infect Dis 2013, 208(9):1520-1528.
  6. Grigg ME, Ganatra J, Boothroyd JC, Margolis TP: Unusual abundance of atypical strains associated with human ocular toxoplasmosis. J Infect Dis 2001, 184(5):633-639.
  7. Wang ZD, Liu HH, Ma ZX, Ma HY, Li ZY, Yang ZB, Zhu XQ, Xu B, Wei F, Liu Q: Toxoplasma gondii Infection in Immunocompromised Patients: A Systematic Review and Meta-Analysis. Frontiers in microbiology 2017, 8:389.
  8. Dunay IR, Gajurel K, Dhakal R, Liesenfeld O, Montoya JG: Treatment of Toxoplasmosis: Historical Perspective, Animal Models, and Current Clinical Practice. Clin Microbiol Rev 2018, 31(4).

 

Hinweis
Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.